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Rücktrittserklärung

Und wieder drei weniger

Verena Gabe, Luzia Beil, Dominique Probst, Tess Hauptvogel … schon unter dem vorigen Bundestrainer haben sich Frauen frustriert oder enttäuscht, aber still und ohne Aufhebens als Nationalspielerinnen verabschiedet. Jetzt gehen drei andere, aber mit einer klaren Ansage. Am MO 23.09. veröffentlichten Carolin Birkmeyer, Eileen Jenal und Anna Lazaridis auf ihren Facebook-Accounts die folgende Erklärung. – Unten eine Auswahl der inzwischen zahlreichen Reaktionen »

Gemeinsames Statement zu
unserem Rücktritt aus dem DPV-Damenkader

Wir, Eileen Jenal, Anna Lazaridis und Carolin Birkmeyer, haben den Deutschen Pétanque-Verband am 15.09. bzw. 16.09.2024 schriftlich über unseren Rücktritt aus dem Deutschen Frauen-Nationalkader in Kenntnis gesetzt. Heute wollen wir versuchen darzustellen, was uns zu diesem Schritt bewogen hat.

VORWEG: Der Schritt ist uns nicht leichtgefallen. Wir haben sehr gerne im Deutschen Nationaltrikot gespielt und es als Ehre empfunden, den Deutschen Pétanque-Sport bei Europa- und/ oder Weltmeisterschaften vertreten zu dürfen. Und wir haben uns den Schritt nicht leichtgemacht: In den gut zwei Monaten seit den Ereignissen bei der letzten Europameisterschaft in Santa Susanna, hat es eine Unzahl von Telefonaten, E-Mails und Nachrichten gegeben, die unsererseits immer darauf gerichtet waren, eine gute Lösung für den Frauen-Kader zu erreichen.

Während der EM in Santa Susanna hat die aktuelle Bundestrainerin fast alles vermissen lassen, was zu einem professionellen, leistungsfördernden und vor allem respektvollen Umgang mit uns Spielerinnen gehört. Es liegt uns wirklich fern, eine Person, die in der Vergangenheit selbst als Nationalspielerin Großes geleistet hat, hier niederzumachen oder öffentlich Gespräche wiederzugeben, die im Vertrauen zwischen Trainerin und Team geführt wurden. Deshalb beschränken wir uns auf wenige Punkte, die aufmerksame Zuschauer auch schon während der EM wahrnehmen konnten.

AUFSTELLUNGSWILLKÜR. Monate vor der EM war verabredet worden, dass das Team in der Aufstellung „Lazaridis (Legen) – Jenal (Mitte) – Birkmeyer (Schießen)“ antritt - mit Lea Mitschker als Reserve. Dementsprechend hatten wir alle trainiert und uns ausgiebig vorbereitet. Erst am Vorabend der EM-Vorrunden verfügte die Bundestrainerin eine neue Aufstellung: „Mitschker (Legen) – Jenal (Mitte) – Lazaridis (Schießen)“. Eine nachvollziehbare Begründung gab es dafür auch auf unsere Nachfragen nicht. Genervte Reaktionen der Bundestrainerin schon mehr. Die Stimmung kippte bereits ab diesem Moment.

ÜBERCOACHING. Während der ersten drei Vorrunden-Partien gegen Frankreich (5:13), Litauen (13:4) und Italien (0:13) mussten wir mit ständigen Taktik-Anweisungen von außen zurechtkommen. Die Bundestrainerin verhielt sich wie eine aktive Spielerin, die der Meinung war, das taktische Wissen gepachtet zu haben und uns behandelte, als wären wir ein Team aus kindlichen Anfängerinnen. Unser Selbstvertrauen als Spielerinnen stärkt man so jedenfalls nicht.

UNTERCOACHING. Anschließende Gespräche, die für eine bessere Rollenverteilung zwischen Trainerin und Team sorgen sollten, führten zu einer seltsamen Trotzreaktion der Trainerin. In den beiden verbleibenden Vorrunden-Spielen, die zur Erreichung des 1/8-Finals unbedingt gewonnen werden mussten, wurden wir als Team ganz uns selbst überlassen. Unterstützung durch die Trainerin, die die Partien scheinbar teilnahmslos beobachtete, gab es nicht mehr. Trotz der dadurch erzeugten psychischen Anspannung fanden wir zurück zu unserem Können und konnten die letzten beiden Spiele gegen die Slowakei und Luxemburg jeweils mit 13:3 gewinnen.

FUNKSTILLE. Nach dem überraschend knappen Ausscheiden gegen Frankreich im 1/8-Finale (nach 11:9-Führung) bis zur Abreise am Montagmorgen wurde von der Bundestrainerin keinerlei Interesse mehr an einer klärenden Aussprache mit uns signalisiert. Auch nicht in den Wochen nach der EM.

In Santa Susanna sind wir auf eine ehemalige Nationalspielerin getroffen, die sich in ihrer neuen Rolle nicht zurechtfindet, die von einem respektvollen Umgang auf Augenhöhe offenbar wenig, von autoritären Anweisungen und einem militärischen Tonfall aber umso mehr zu halten scheint. Auf eine sportliche Weiterentwicklung können wir unter diesen Bedingungen nicht hoffen.

Enttäuscht und traurig sind wir aber auch über die Art und Weise, wie die Verantwortlichen im DPV seither mit unserer Kritik umgegangen sind. Wirklich ernst genommen fühlten wir uns nicht. Statt uns transparent über Entscheidungsprozesse zu informieren, wurden wir mit wider­sprüch­lichen und zum Teil sogar wahrheitswidrigen Aussagen abgespeist. Zugleich gab es den anhaltenden Versuch, uns auseinander zu bringen, was auf der DPV-Kaderseite sogar öffentlich sichtbar wurde und heute noch sichtbar ist, indem dort nur zwei unserer drei Spieler-Profile gelöscht wurden. Am Ende hat der DPV beschlossen, trotz allem an seiner aktuellen Bundestrainerin festzuhalten. Über die Gründe wissen wir nichts.

Wir wissen aber, die Dinge bleiben im Fluss. Angesichts der Vielzahl von Trainerwechseln in den vergangenen Jahren ist auch die jetzige Situation nicht in Stein gemeißelt, ist auch unsererseits die Tür nicht für immer zugeschlagen. Und klar ist uns auch: Wir sind keineswegs die erste Gruppe von Kader-Spielern, die aus Unzufriedenheit mit der Arbeit der Trainer oder der zuständigen Funktionäre und Mitarbeiter dem DPV den Rücken gekehrt haben.

Wir hoffen sehr, dass unser Schritt dazu beiträgt, das organisatorische und personelle Umfeld der DPV-Kader so auszurichten, dass die Aktiven – frei von unnötigen Störfaktoren – ihr Bestes für ein erfolgreiches Auftreten auf internationaler Ebene geben können.

Carolin Birkmeyer
Düsseldorf sur place
u. a. EM-Bronze 2:2 (2024)


Eileen Jenal
FV Diefflen (Saar)
u. a. EM-Gold Tir (U23 2019)


Anna Lazaridis
Düsseldorf sur place
u. a. EM-Bronze 2:2 (2024)


Anmerkung. Seit 24.09. ist auch Eileen Jenal aus der DPV-Kader­liste gelöscht.

Quelle: Facebook – 23.09.2024


Reaktionen

Josefien Koogje (NED), Vize-Europameisterin Triplette 2024 (Facebook, 23.09.)

I have great admiration for your courage and strength in bringing this out. I saw it happen at the European Championships in Martigny and, then to an even worse extent, at the European Championships in Santa Susanna. I watched the coach's performance with great amazement. I felt very sorry for you and you did not deserve this treatment. I support you!


Veronika Slobodová, tschechische Nationalspielerin (Facebook, 23.09.)

I saw it in Santa Susana and no team deserves this behaviour from the coach. It was the worst “coaching” I’ve ever seen and I totally understand you had to take this out on public. Good luck to all of you and hope to see you soon again!


Martin Hughes, früheres Board Member von Pétanque England (Facebook, 23.09.)

Wow!

Hughes stellte eine englische Übersetzung der Rücktrittserklärung auf die Facebook-Seite „Pétanque365“. Einer der ersten Kommentare dort: „So PE aren‘t the only governing body that has little respect for its players.“ (Chris Barron); PE = engl. Verband


Marco Ripanti, DPV-Pressewart 2002 bis 2004 (Facebook, 23.09.)

Respekt! möge euer Schritt den DPV endlich aus seiner Lethargie wecken.


„Wenn dann über eine stärkere Einbindung von gut ausgebildeten Trainer*innen die Professionalität im Leistungsbereich erhöht wird, ist das Imageproblem obsolet.“

DPV-Bericht » vom 24.09. über Ergebnisse einer Sitzung des Trainerausschusses. Zu lesen als versteckter oder unbeabsichtigter Seitenhieb auf die Frauen-Bundestrainerin, die nach wie vor ohne fertige Trainerlizenz arbeitet.

Sara Diaz Reyes, amtierende Tir-Europameisterin (Facebook, 24.09.)

Ànimo y mucha fuerza. (Kopf hoch und viel Kraft / mit Bizeps-Emoji)


Tess „Mainbird“ Hauptvogel, frühere DPV-Kaderspielerin (Facebook, 23.09.)

Auch von meiner Seite habt ihr den vollsten Support für eure Entscheidung. Sehr mutig von euch und ihr gebt sicherlich vielen ehemaligen Spielerinnen eine Stimme, die ähnliches erlebt haben und sich nicht getraut haben zu sprechen.


Christoph Roderig, früheres DPV-Präsidiumsmitglied (Facebook, 23.09.)

Die Verdienste einer Vize-Weltmeisterin Lara Koch für den Pétanque-Sport in Deutschland sind nicht hoch genug einzuschätzen. Ich war 2004 selbst dabei. Und wenn das jetzt ein Scheiß-Job war, den sie bei dieser EM gemacht hat, dann weiß das niemand besser als Lara Koch, verlasst Euch darauf.

Und wenn sie deshalb nicht direkt von der nächsten Brücke springt, dann sollte man auch dafür Verständnis haben. Wo ist das Sch…-Problem? Es geht in Zeiten von Social Media mal wieder alles nicht schnell genug, nicht konkret genug, nicht „Wo bleiben unsere verdammten Antworten?" genug – schade!

Ich habe zwar keine Ahnung von Pétanque, von internationalem schon mal gar nicht – aber für mich gehört Lara Koch zu den erfolgreichsten, erfahrensten und souveränsten deutschen Pétanque-Sportlerinnen Deutschlands aller Zeiten. Und so jemand darf auch mal daneben greifen, ohne ausgerechnet von den Leuten, für deren Erfolg sie sich verantwortlich gefühlt hat, komplett demontiert zu werden.


Martin Beikirch, ehemaliger Präsident Landesverband Berlin (Facebook, 23.09.)

Alle Achtung, nun verstehe ich, warum ihr zurückgetreten seid.


Aras Balic, TSV Krankenhagen (E-Mail an ptank.de, 24.09.)

Meine Vision für starke DPV-Mannschaften ist: Wenn Bundestrainer oder Bundestrainerin drei Frauen oder drei Männer fürs Triplette nominieren, dann entscheiden allein die Spielerinnen oder Spieler nach Tagesform, welche Positionen sie spielen wollen für den Erfolg. Menschen sind keine Maschinen. Ich finde Rücktritt sehr negativ.

Bundestrainerin Lara Koch sehe ich als sehr starke Spielerin und gutes Vorbild als Bundestrainerin. Der Bundesverband muss reagieren. Erst Sport, dann Präsenz und Erfolg. Und und …


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Vorgeschichten

… und täglich grüßt das Murmeltier?

Organisatorisches Kuddelmuddel und Querelen im Kaderbereich sind nicht eben selten im DPV. Anno 2013 revoltierten der damalige Kadersprecher Gerrit Halbach (heute Berlin) und acht weitere Kaderspieler (darunter auch der aktuelle Funktionstrainer Steffen Kleemann) gegen Bundestrainer Klaus-Dieter Wiebusch (re.) und seine DPV-Vorgesetzten mit diesem Offenen Brief ». Und im Juli 2020 durfte diese Website über den Protest-Rücktritt zweier Bundestrainer berichten (s. u.), was das personelle Kartenhaus im Leistungssportbereich des DPV vorübergehend ganz zum Einsturz brachte. Auch hierzu schrieben fünf Spieler einen Offenen Brief »


DPV

Notruf eines Entlassenen

Martin Peter (li.), wendet sich zwei Monate nach seiner Entlassung als DPV-Bundestrainer mit einem sechsseitigen Notruf an die Pétanque-Öffentlichkeit. Peter bemängelt darin Demokratie-Defizite im DPV und die regelmäßige Vermischung von sachlichen und persönlichen Ebenen in der Kommunikation zwischen Funktionären und Trainern. Der Text im Wortlaut »*

Zur Erinnerung: Am 05.05. hatte sich der DPV von Martin Peter (Bensheim) und Headcoach Philipp Zuschlag (München) getrennt. Daraufhin waren alle übrigen Bundes­trainer im Erwachsenenbereich (außer Sebastian Lechner) aus Solidarität zurück­ge­treten, ihnen folgten mit Moritz Rosik, Marco Lonken, Christoph Fisch, Sascha Löh und Manuel Strokosch fünf von zehn Kaderspielern. Bundestrainer Herren wurde inzwischen Sebastian Lechner, Bundestrainer Damen Sönke Backens – mit Susanne Fleckenstein als Assistentin.

* Die Veröffentlichung dieses Textes geschieht lediglich zu Informationszwecken. Eine Zustimmung zu den Inhalten ist damit nicht ausgedrückt. (U. Brülls)

 Foto: YouTube-Interview durch pétanque aktuell - 03.07.2020